Erröten,- Die schöne Unvollkommenheit

Die Röte der Scham (Scham und Sucht)


Seit über 25 Jahren arbeite ich mit Suchtpatienten und immer wieder

muss ich erfahren, manchmal schmerzvoll, dass bei Menschen mit Suchtproblemen oder gar einer Suchterkrankung das Thema Scham eine, wenn nicht gar die entscheidende, Rolle spielt.

Manchmal in therapeutischer Not, wenn der Patient glaubt nicht über sein Suchtproblem reden zu können, habe ich Patienten schon gesagt oder vielleicht oft auch aus Verzweiflung Ihm zugerufen:

„Es haben sich schon Patienten zu Tode geschämt. Wir können über alles reden. Am Anfang hilft auch gemeinsames Schweigen, die Feststellung des nicht reden Könnens. Aber lassen Sie uns erkunden, was Ihr erster Schritt.“


Ein Patient braucht oft Jahre um zu uns in die Klinik, in die Beratungsstelle zu kommen.

Dann sitzt er in einer Gruppe oder in einem Einzelgespräch mir gegenüber und hat erneut getrunken

und schämt sich. Dann beginnt die therapeutische Arbeit und sie beginnt damit, zu erkunden, was ein Sprechen, ein sich Selbstanschauen verhindert.


Hier begegnet ein wieder das Thema Scham.

Doch Scham ist nicht nur ein Thema meiner Suchtpatienten!

Die Scham über unsere Unvollkommenheit, aber doch perfekt sein zu wollen, mit einer Maske durch Leben zu laufen und doch immer wieder zum Beispiel im Erröten sichtbar zu werden, betrifft nicht nur meine Suchtpatienten.


Fange ich an mit den Patienten darüber zu sprechen, dass auch ich das Thema Scham kenne, selbst in diesem Moment, wo ich hier mit Ihnen rede, werden Sie neugierig, entsteht Augenhöhe.


Scham ist ein Beziehungsangebot bzw. eine Beziehungsmöglichkeit. Es ist ein Zeichen von Hilflosigkeit und zieht den Wunsch nach, sich zu verbergen.

Das Verbergen wird unnötig, wenn jemand da ist, der die Scham auffängt. Oder aushält.


Diese Ausstellung, mein Projekt Rotwerden ist nichts anderes, als eine Fortsetzung des Gespräches mit unseren aktuellen aber auch allen zukünftigen Patienten.

Ist aber auch im besten Sinne Prävention.


Letztlich lese ich in den therapeutischen Sitzungen den Patienten selten poetische Texte vor.

Aber die anrührenden Momente in der Therapie haben oft etwas von Poesie.


Fühlen Sie sich eingeladen über Ihr Erröten nachzudenken.


 


 


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